Ein mutmaßliches Mitglied der islamistischen Terrorzelle wird von Polizisten abgeführt.

Die Terrorpläne der Islamisten aus NRW

Stand: 25.04.2024, 17:59 Uhr

Die sieben mutmaßlichen Islamisten, die letztes Jahr in NRW festgenommen wurden, müssen sich nun vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Sie sind nicht die einzigen Islamisten im Fadenkreuz der Ermittler.

Von Boris BaumholtBoris BaumholtRainer StriewskiRainer Striewski

Der Fall sorgte im Sommer letzten Jahres für Aufsehen: An mehreren Orten in NRW ließ die Bundesanwaltschaft sieben mutmaßliche Terroristen festnehmen. 200 Einsatzkräfte waren bei den Razzien am 6. Juli beteiligt. Im Ennepe-Ruhr-Kreis, im Rhein-Sieg-Kreis, in Gelsenkirchen, in Gladbeck, in Düsseldorf und im Kreis Warendorf wurden dabei 15 Objekte durchsucht.

Seitdem saßen die sieben Männer in Untersuchungshaft. Am Mittwoch wurde nun vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Anklage erhoben. Den Männern wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung gebildet und Anschläge geplant zu haben. Sechs der Beschuldigten werde zudem auch die Unterstützung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu Last gelegt. 

Köln-Deutzer Kirmes als mögliches Ziel

Die Männer sind laut Generalbundesanwaltschaft seit längerem miteinander bekannt und teilen eine radikal-islamische Einstellung. Kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges sollen sie im Frühjahr 2022 aus der Ukraine nach Deutschland eingereist sein, einige sollen sich als Studenten getarnt haben. Eine zentrale Figur soll ein tadschikischer Staatsangehöriger gewesen sein, der zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft im Kreis Warendorf gelebt hat. Eine wichtige Spur führt nach WDR-Informationen in die Niederlande zu einem Mann, der sich "Der Scheich" nennt. Ihn halten die Ermittler für den Kopf der mutmaßlichen Terrorgruppe. Die niederländischen Behörden haben ihn im Juli 2023 gemeinsam mit seiner Frau ebenfalls festgenommen. Seitdem sitzt er dort in Untersuchungshaft.

Die Gruppe stand in Kontakt mit Mitgliedern des regionalen IS-Ablegers "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK). Ihr Ziel soll es gewesen sein, in Deutschland öffentlichkeitswirksame Anschläge zu verüben.

Konkrete Anschlagspläne soll die Gruppe zwar noch nicht gehabt, wohl aber mögliche Anschlagsorte ausgekundschaftet haben. Darunter die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin oder auch die Deutzer Kirmes in Köln. Dort testeten sie zahlreiche Fahrgeschäfte und fotografierten die Umgebung. Außerdem wurden die Männer bei Besuchen in Baumärkten beobachtet. Die Ermittler haben den Verdacht, dass sie sich dort über möglich Bestandteile für Sprengsätze informiert haben könnten.

Anschlagspläne auf Kölner Dom

Einzelne aus der Gruppe kannten nach WDR-Informationen auch die Männer, die Ende letzten Jahres Attentate auf den Kölner Dom und den Stephansdom in Wien geplant haben sollen. Eine engere Verbindung ließ sich jedoch bislang nicht erhärten. Heiligabend war ein 30-jähriger Tadschike in Wesel festgenommen worden, kurz darauf drei weitere Verdächtige bei Razzien in Duisburg, Herne und in Nörvenich.

Die Männer wollten offenbar mit einem Pkw einen Anschlag auf den Kölner Dom verüben, so der anfängliche Verdacht. Die Kathedrale war deswegen zu Weihnachten kurzzeitig geschlossen und dann unter massiv erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wieder geöffnet worden. Die Ermittlungen konnten konkretere Pläne nicht aufdecken. Die mutmaßlichen Verdächtigen wurden mittlerweile abgeschoben oder den österreichischen Behörden überstellt.

Anschlagsplan auf Islam-Kritiker in Neuss

Ebenfalls aus Tadschikistan stammten fünf Männer, die bereits 2022 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer Terrormiliz zu Haftstrafen zwischen fast vier und neuneinhalb Jahren verurteilt worden waren. Sie sollten unter anderem geplant haben, einen Islam-Kritiker aus Neuss zu töten. Die Urteile wurden letztes Jahr vom Bundesgerichtshof bestätigt.

Duisburger Islamist wohl Einzeltäter

Bei dem Ende Oktober festgenommenen Duisburger Tarik S. soll es sich hingegen um einen Einzeltäter gehandelt haben. Der 29-Jährige soll sich gegenüber einem Chatpartner in Syrien zur Begehung eines islamistisch motivierten Anschlags auf eine pro-israelische Demonstration bereiterklärt haben. Er wurde wegen des Verdachts der Verabredung zu einem Verbrechen festgenommen.

Tarik S. war in NRW kein Unbekannter, wurde von den Behörden bereits als Gefährder eingestuft. Im vergangenen Jahr galten nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 186 Personen in NRW als so genannte islamistische Gefährder. Davon wird eine hohe zweistellige Zahl als "aktionsbereit" eingestuft und intensiv von der Polizei überwacht.

Anschlagsplan auf Leverkusener Weihnachtsmarkt

Auch bei zwei jungen Islamisten, die Ende letzten Jahres einen Terroranschlag auf einen Weihnachtsmarkt oder eine Kölner Synagoge geplant haben sollen, soll es sich um Einzeltäter handeln. Der 15-jährige Deutsch-Afghane aus Burscheid soll zusammen mit einem 16-jährigen Russen aus Brandenburg geplant haben, mit einem Kleinlaster Besucher eines Leverkusener Weihnachtsmarktes zu töten.

Danach wollten beide aber offenbar nach Afghanistan ausreisen, um sich dort dem "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) anzuschließen.

Alleinhandelnde Täter sieht der Verfassungsschutz mittlerweile als "große Gefahr" und riesige Herausforderung. Das betonte Innenminister Herbert Reul (CDU) kürzlich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2023. Besonders die Rolle islamistischer Influencer in sozialen Medien wie Tiktok beschrieb er als großes, offenbar bislang kaum kontrollierbares Problem.

Jugendliche aus NRW mit Verbindung in die Schweiz

Zuletzt konnte die Polizei in NRW drei Jugendliche zwischen 15 und 16 Jahren festnehmen, die verdächtigt werden, in Chatgruppen islamistisch motivierte Terroranschläge geplant zu haben. Zusammen mit einer 16-Jährigen aus Baden-Württemberg sollen sie sich in den Chat-Apps "Telegram" und "Session" über mögliche Anschlagsplanungen ausgetauscht haben.

Aus Ermittlerkreisen hieß es, die Jugendlichen hätten geplant, in Iserlohn christliche Einrichtungen, Synagogen oder auch Sport- und Nachtclubs anzugreifen. Dabei sollen sie über Molotowcocktails sowie das Erschießen von Ungläubigen gesprochen haben. In der Wohnung der 15-Jährigen aus Düsseldorf konnte die Polizei eine Machete und einen Dolch sicherstellen. Alle vier Jugendlichen befinden sich aktuell in Haft.

Sie sollen per Chat auch in Verbindung mit zwei Männern aus der Schweiz gestanden haben, die dort ebenfalls einen Anschlag geplant haben sollen. Auch diesen beiden Personen konnten festgenommen werden.